Wie kostbar und kostspielig Trinkwasser in Namibia ist, zeigt ein Bauwerk, das Waterberg Wilderness durchschneidet: Der Kanal, ein Teilstück des „Östlichen Nationalen Wasser-Versorgungssystems“.
Grundwasser aus dem Karstgebiet
Er ermöglicht Windhoek und anderen Orten im Landeszentrum, Grundwasser aus dem 460 km entfernten Karstgebiet der Otavi-Berge anzuzapfen. Windhoek deckt damit etwa ein Sechstel seines jährlichen Bedarfs von rund 28 Mio. m³ (Stand: 2021).
Bereits 1968, als Windhoek etwa 56.000 Einwohner zählt, beginnt man, weiter entfernte Quellen zu erschließen – mit dem Bau des Von Bach Stausees nahe Okahandja, einer Pumpstation und einer 80 km langen Rohrleitung. Kaum in Betrieb genommen (1970), richtet man den Blick in noch weitere Ferne: Zum 710 km entfernten Grenzfluss Okavango. Ende 1975 wird ein entsprechender Plan zur Wasserversorgung der zentralen Landesteile genehmigt. Windhoek hat mittlerweile rund 75.000 Einwohner.
Ein gigantischer Plan
Der Plan ist ein gigantisches Projekt, zusätzlich zum Swakoppoort Damm westlich von Okahandja, der 1978 fertiggestellt wird. Die Verwirklichung erfolgt zielstrebig: 1981 der Omatako Damm, 1983 die Pipeline zum Von Bach Damm, 1987 der Kanal vom Omatako Damm zur Farm Uitkomst bei Grootfontein. Gigantisch sind auch die Kosten. Ende der 1980er Jahre schätzt man den Gesamtbetrag, eine Pipeline zum Okavango eingerechnet, auf mehr als 310 Mio. Rand – was heute (2022) rund 2,2 Mrd. Namibia Dollar entsprechen würde.
Doch die 250 km lange Okavango-Rohrleitung, für 1991 geplant, wird nicht gebaut. Grund sind nicht nur die Kosten, sondern auch die Sorgen des Nachbarstaates Botswana um dessen Okavango-Delta. 1994 schließt Namibia mit Botswana und Angola ein Abkommen zur gemeinsamen Nutzung des Wassers im Okavango.
Hiermit wird das Provisorium, das Grundwasser aus dem Karstgebiet der Otavi-Berge zu nutzen, zur Dauerlösung. Doch Windhoek wächst weiter, von 139.000 Einwohnern zur Zeit der Unabhängigkeit (1990) auf 446.000 Einwohner im Jahr 2021. Der Okavango-Pipeline-Plan ist daher noch nicht gänzlich vom Tisch. Allerdings prüft man ebenfalls Alternativen: zum Beispiel eine Entsalzungsanlage an der Küste mit Rohrleitungen und mehreren Pumpstationen für den Höhenunterschied von 1.600 Metern. Geschätzte Kosten: 3,4 Mrd. Namibia Dollar.
Waterberg Wilderness
Zurück zum Kanal, der von Anfang heftig kritisiert wird. Die Instandhaltung ist aufwändig und teuer. Pflanzen sorgen für Lecks in der Betonschale. Rund 10% des Wassers geht durch Verdunstung verloren. Am schwersten jedoch wiegt der Vorwurf, dass Jahr für Jahr tausende Tiere qualvoll im Kanal verenden. Einmal hineingefallen, kommen sie aus der runden, oft mit Algen bewachsenen Schale nicht wieder heraus. Die Kadaver werden von Mitarbeitern des Wasserversorgers NamWater entsorgt, die den Kanal nur sporadisch abfahren. Kritiker fordern, den „Killer-Kanal“ mit Betonplatten abzudecken – bislang erfolglos.
Auf Waterberg Wilderness sorgt das Partner-Unternehmen ONE Namibia dafür, dass die Wasserrinne täglich von Rangern patrouilliert wird. Auch ist der Kanal im Naturreservat auf beiden Seiten mit Elektrozaun gesichert. Die Investition hat sich gelohnt: Mussten die Ranger vorher im Schnitt zehn Tiere im Monat aus der Todesfalle retten, sind es nun „nur noch“ zehn im Jahr. Kleine Säugetiere und Reptilien leiden jedoch weiterhin am meisten unter dem Kanal.